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Azuma Hiroki: Am Scheidepunkt von Niedergang und positiver Wende – Wie überwinden wir latente Ängste?

Original: 反転か下降かの分かれ目 - 見えない不安どう克服するか (Asahi Shimbun Weekly AERA, 10. April 2011, S. 21)

Übersetzung von Christopher Derbort (Universität Frankfurt) (Juni 2011)



(Azuma Hiroki)

Der als sicher wahrgenommene japanische Alltag, der auch zwanzig Jahre nach der Bubble-Economy bis heute gemütlich seinen Gang ging, erfuhr mit den aktuellen Ereignissen eine gewaltsame Unterbrechung. Japan, das nach und nach in eine Art von Degeneration verfallen war, fand sich unversehens vor einer Wendemarke wieder: Könnte man die aktuellen Ereignisse zum Anlass nehmen und noch eine Gegenoffensive starten oder würde Japan ohnehin auf einen Schlag abstürzen und zu Grunde gehen? Ich denke, dass der Erdbebenkatastrophe eine solche Bedeutung als Scheidepunkt zukommt.

Hierzulande konnte die junge Generation bis dato ein Dasein in Ruhe und ohne Ärgernisse fristen, auch wenn es aufgrund der wirtschaftlichen Flaute doch zu größeren Beschäftigungsproblemen gekommen war und obwohl der Generationenkonflikt keinesfalls gelöst wurde − alles weil in Japan eben eine „unzerstörbare Alltäglichkeit“ existierte. Symbol für dieses Phänomen ist der Convenient Store, in dem man rund um die Uhr bekommt, was man möchte. Eine solch praktische Einrichtung hinterlässt den Eindruck, dass auch alles in Ordnung ist, selbst wenn man seine Unzufriedenheit nicht äußert.

Der Niedergang des Landes würde sich in der Tendenz zum Spiritualismus offenbaren, innerhalb derer Durchhalteparolen, Geduld und Energiesparmaßnahmen als ausreichend angesehen werden, den am Convenient Store verdeutlichten, bequemen Alltag aufzugeben und eine Wende herbei zu führen. Die Bequemlichkeit jedoch, die man einmal besessen hat, kann man so einfach nicht wieder loslassen und deshalb wird die idealistisch motivierte Geduld nicht von Dauer sein: irgendwo in der Gesellschaft werden sich Anspannung und Unzufriedenheit zusammenballen.

Die Offensive zu einer positiven Wende bestünde darin, unsere Intelligenz zu addieren und darüber nachzudenken, wie wir diesen „Convenient Store“-Lebensstil unkompliziert und effizient in gewisse Bahnen lenken können. Hierfür wären neue Techniken aufzugreifen und ein Wandel anzustreben. Die sozialen Medien waren beispielsweise bisher nichts anderes als nur eine Option neben den bereits etablierten Medien. Das Internet hat jedoch mit den Twitter-Foren bei dieser Erdbebenkatastrophe eine wichtige Rolle erfüllt. Es handelt sich also um eine Technologie, die großen Einfluss auf das Schicksal der Menschen hat – wir sollten deshalb mit einer Erziehung zur Internet Literacy beginnen, entgegen der bisherigen negativen Grundhaltung, dass Senioren diese Technik nicht nutzen könnten und sie für Kinder gefährlich sei.

Sowohl was die Informationen als auch die Konsumobjekte als solche betrifft, wird künftig danach gefragt werden, ob sie zum Leben wirklich nötig sind und ob sie Original oder Imitation sind. In den letzten beschaulich dahingegangenen zwanzig Jahren haben wir eine zu ausgeprägte Entwicklung hin zu einer Vergnügungsgesellschaft vollzogen. Überflüssige Informationen und Luxusgüter wurden konsumiert. Von nun an wird auch bei Unterhaltungsware nach dem Wesentlichen gefragt werden müssen, und solche Produkte, die früher einen Hype auslösten, würden sich dann möglicherweise nicht mehr behaupten können

Meine Sorge gilt vor allem der Jugend. Ihre Identität wurde durch die Konsumkultur geprägt und sie hat ihren Platz in der Gesellschaft verloren. Auch die latenten Ängste nehmen in einer „stressigen“ Gesellschaft zu. Ängste greifen allmählich Raum: Bedenken hinsichtlich der Produktion von Lebensmitteln, Sorgen über mögliche Auswirkungen der Strahlung oder Befürchtungen im Bereich des Stromsparens. Der Sarin Gas-Anschlag nach dem Erdbeben von Ôsaka/Kôbe ist ein Faktor, der ebenso bereits gesellschaftliche Ängste bedingte. Die Aufgabe, die aktuell die Gesellschaft beschäftigen wird, ist die Frage danach, wie sie den Angstgefühlen gegenübertritt und wie sie diese überwinden wird.

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